Erfurt Alpin MTB-Alpencross 2013
Sonntag, 08. September bis Sonntag, 15. September 2013
1. Tag, 08.09.2013
Kurz nach 5 geht es per Wochenendticket Richtung Oberstdorf. Es hätte wegen eines verpassten Anschlusses in Rottendorf ein langwieriges Bahn-Erlebnis werden können, aber nachdem wir die Route über Augsburg anstatt München geändert haben, kommen wir doch noch fast pünktlich 14.15 Uhr am Startort an. Auch die Wettervorhersage stimmt – zum Nachmittag war aufkommender Regen angesagt, so dass wir noch am Ortsausgang unsere Regenklamotten testen müssen. Zuerst geht es 20 km auf immer schmaler werdenden Sträßchen im Stillachtal leicht ansteigend Richtung Schrofenpass. Die kurze Schiebestrecke ziemlich im senkrechten Fels mit der legendären Leiter befindet sich leider im Nebel. Die Abfahrt Richtung Warth ist dann gut fahrbar. Weil es stärker regnet beschließen wir, nicht bis zur in Freiberger Hütte weiter zu fahren, sondern in Lech Quartier zu nehmen. Somit haben wir nur 32 km und 110 hm auf dem Tacho. Im Haus Wallis, wo wir schon 2007 übernachteten, ist genügend Platz und wir können den 1. Tourtag noch etwas durch Lech bummeln und in einer Pizzeria beschließen.
2. Tag
Der Regen weckt uns, so dass wir nach einem ausgiebigen Frühstück entscheiden, den Schlenker über den Kristbergsattel fallen zu lassen und die direkte Linie Richtung Süden zu fahren – das heißt 17 km Straße über Flexenpass und Arlbergpass, gewürzt mit etlichen Tunneln und Galerien bei mehr oder weniger starkem Regen. Wir kommen gut voran und können schon um 10 Uhr kurz vor St. Anton ins malerische Verwalltal einbiegen. Nach knapp 20 km anfangs gemütlicher Steigung und später kurzer Schiebestrecke langen wir am Verbellner Winterjöchli bei 2.273 m an, auf dem sich die Heilbronner Hütte befindet. Dort wärmen wir uns in Gesellschaft einer großen geführten Transalp-Gruppe bei einer Suppe auf, bevor es an die voll fahrbare 24 km lange Abfahrt ins Paznauntal geht. Nur eine Reifenpanne unterbricht kurz den Abfahrts-Spaß. An der Wasserscheide Rhein-Donau in der Nähe des Kops-Stausees reißt die Wolkendecke auf, und die Sonne zeigt sich, so dass wir gemütlich bis Ischgl rollen können. Leider gibt es im dortigen Sportgeschäft keine Ersatzschläuche mit französischem Ventil, so dass abends Reifenflicken ansteht, aber wir können zumindest unsere Räder abspritzen. In Ischgl zweigen wir ins Fimbatal ab, wo kurz hinter der Schweizer Grenze im Talende die Heidelberger Hütte unser Tagesziel ist. Dort gibt es Zimmerlager und sehr reichhaltigen Kaiserschmarrn. Von dessen eingepacktem Rest können wir noch am nächsten Tag zehren. Der Wirt erzählt übrigens, dass es hier überhaupt keinen Regen gegeben hat – so unterschiedlich ist das Alpenwetter. An diesem Tag haben wir 72 km und 2700 hm in den Beinen und können mit Untermalung des rauschenden Baches gut schlafen.
3. Tag
Das Frühstück ist mit 16 Euro nicht billig, aber dafür sehr reichhaltig incl. Marschverpflegung und warmen Tee in den Trinkflaschen. Das ist auch hilfreich, denn es heißt zuerst eine Schiebestrecke auf den Fimbapass zu bewältigen. Auf 2.608 m ü. NN herrschen dann auch nur trübe 6 °C, aber die Wolkendecke behält ihren Inhalt für sich. Vom Pass aus geht es auf traumhaftem Trail wieder voll fahrbar durchs stille Val Chöglias 1.500 hm abwärts Richtung Inntal. Auch im dann folgenden langen Anstieg durchs Val d’Uina hält das Wetter, so dass wir die 1910 fertig gestellte, in den senkrechten Berg geschlagene, spektakuläre gut 1.000 m lange Felsgalerie entsprechend genießen können. Am Schlinigpass erwartet uns eine irisch anmutende Hochebene, deren verschlammter Trail mit ständigem Auf und Ab sehr kräftezehrend ist, zumal auch Nieselregen einsetzt. Wegen des zu erwartenden Schneefalls, drängen sich die Kühe an den Toren, so dass man kaum hindurch kommt. Angekommen in Italien, wärmen wir uns in der Sesvennahütte bei einer Suppe auf, bevor wir ins sonst überdurchschnittlich warme Vinschgau hinabrollen. In Schleis dürfen wir auf einem Bauernhof unsere total verdreckten Räder abspritzen. Die Bäuerin erzählt, dass der Almabtrieb wegen des Kälteeinbruchs vorgezogen wird. Nun kurbeln wir auf Waldwegen das Münstertal hinauf und nehmen aus Sparsamkeitsgründen kurz vor der Schweizer Grenze noch im Südtiroler Taufers nach 56 km und knapp 2.000 hm Quartier. Nach Dusche, Wäschewaschen und Reifenflicken essen wir im Hotel Chavalatsch gepflegt zu Abend.
4. Tag
Nach kurzem Zwischenstopp im Weltkulturerbe Kloster Müstair biegen wir bei strahlender Sonne ins Val Vau ab und fahren hinauf in die weite menschenleere Hochebene des Val Mora. Vom Sattel nahe der Alp Praveder geht es sanft abfallend entlang breiter Gesteins-Schuttablagerungen. Bei einem Kaffee in der Alp Mora bemerkt Tina, dass bei Ihrem Vorderrad das Radlager total ausgeschlagen ist. Die Frage – zurück 20 oder vorwärts 30 km – entscheiden wir für letztere Variante, da wir zudem in Bormio den besseren Bikeshop vermuten. Mit wackelndem Vorderrad und ausschließlich Hinterbremse fährt sie den Singletrail Richtung Fraele-Stauseen. Den Blick von dort zur Ortlergruppe können wir nur eingeschränkt genießen. Von den Torri die Fraele führt eine schmale Straße über 21 Spitzkehren hinab ins Valditdentro. Der einzige Bikeshop in Bormio kennt sich mit Specialized-Lagern nicht aus, aber verweist uns an einen 5 km entfernt liegenden Laden. Der dortige Chef gibt sich echt Mühe, telefoniert lange rum und verspricht uns dann, über Nacht ein passendes Lager im 40 km entfernten Livigno zu besorgen und dann einzubauen. Also ist unser heutiger Tourtag in Pradelle schon nach 60 km und 1.300 hm zu Ende. Die Pension neben dem Bikeshop hat Platz und so bummeln abends mit Leih-Bike noch etwas durch Bormio.
5. Tag
Am Morgen ist das Rad wie versprochen (und für 30 Euro auch noch preiswert) repariert, aber durch die gestrige Verkürzung müssen wir auch heute umdisponieren. Die Strecke über Grosio und das Valle di Rezia zum Gaviapass ist zeitlich nicht mehr möglich, so dass wir die direkte Straßenauffahrt zum legendären Pass des Giro d’Italia nehmen müssen – 25 km mit 1.400 hm. Die Straße ist wenig befahren, aber die Motorräder nerven doch mit der Zeit. Etwas Abwechslung bringen die zahlreichen Rennradfahrer, mit denen man etwas plaudern kann. Auf der Passhöhe bei 2.604 m ü. NN liegt Schnee und wir wärmen uns im Rifugio Bonetta bei einem Espresso Macchiato auf. Nun folgen 1.000 hm Abfahrt nach Pezzo, von wo wir nach Case di Viso, einem hübsch restaurierten ehemaligen Bergarbeiterdorf, abzweigen, um die 2.613 m hoch gelegene Monozzoscharte zu überqueren. Kurz davor befindet sich das Rifugio Bossi. Hier sind etliche Gebäude, Schützengräben und Stacheldraht-Verhaue aus dem 1. Weltkrieg zu sehen und ein kleines Museum berichtet über diese Zeit. In der Hütte bedient ein Nepalese, der hier während der Monsunzeit seine Sprachkenntnisse aufbessert, um dann besser als Sherpa arbeiten zu können. Vom höchsten Punkt unserer Tour führt ein herrlicher Singeltrail hinab zum Lago di Pian Palu und vorbei an der 1906 erbauten österreichischen kleinen Festung „Forte Barba di Fiori“ ins Valle di Peio, von wo das bekannte Mineralwasser herkommt. In Pejo-Cogolo finden wir eine schlichte Pension, dafür gönnen wir uns ein Menü im benachbarten Hotel Cevedale. Dieser Tag mit langen Straßenpassagen und anstrengenden Trails geht mit 65 km und 2.500 hm in die Statistik ein.
6. Tag
Nach dem Frühstück in einem Café rollen wir hinunter nach Ossana, wo 1.200 hm Auffahrt zum Monte Vigo wartet. Mit dieser Streckenvariante vermeidet man die langweilige Massen-Transalpler-Fahrt über Dimaro nach Madonna di Campiglio. Die Version ist trotz der zusätzlichen Höhenmeter nicht schlecht, nur das letzte Teilstück ist sehr sumpfig. Madonna scheint um die Mittagszeit wie ausgestorben, aber ein Eiscafé findet sich doch. Nun geht es vorbei an einem beeindruckenden Wasserfall zuerst steil hinab, bevor es dann das Val d’Agola wieder auf Waldwegen angenehm fahrbar hinauf geht. Am Agola-See folgt dann eine Schiebestrecke, die durch kreuz und quer liegende gefällte Bäume zusätzlich erschwert wird. Der Passo Bregn del Ors entschädigt mit einem traumhaften Blick auf die nahen Brenta-Zacken und die gegenüber liegenden Gletscher des Adamello-Massivs und lädt zu einer ausgedehnten Rast ein. Nun geht es zuerst auf Trail und dann auf Forstwegen über 19 km hinab nach Tione di Trento. Von drei Hotels sind zwei geschlossen, aber das verbleibende Albergo bietet uns noch entsprechendes Quartier. Eine Pizzeria findet sich auch, so dass der Tag gut gestärkt mit 73 km und 2.400 hm ad acta gelegt werden kann.
7. Tag
Nach unerwartet gutem Frühstück führt uns die Tour zuerst 33 km über den Sattel von Bondo im Tal entlang hinab nach Storo, wo wir uns mit Obst, Brot und Prosciutto stärken. Von hier geht es 1.400 hm aufwärts durch das enge Val d’Ampola, vorbei an dem ehemaligen österreichischen Sperrfort Ampola, das bei der garibaldinischen Invasion 1866 eine Rolle spielte. Am Passo d’Ampola zweigt die schmale Straße hinauf zum Tremalzo-Pass ab. Auch hier nerven wieder etliche Motorräder. Die Schinderei lohnt sich aber, denn hinter dem Rifugio Garda beginnt das Highlight am Ende unserer Transalp-Tour – das im 1. Weltkrieg angelegte Militärstraßen-Netz, das heute verkehrsfrei ist. Die groben Schotterstraßen mit zahlreichen unbeleuchteten Tunnels, abenteuerlichen Serpentinen und atemberaubenden Blicken auf den fast 2.000 m tiefer liegenden Gardasee dienen heute glücklicherweise friedlichen Zwecken – auch so kann Konversion aussehen. Über Passo Nota, Passo Guil und Passo Rocchetta geht es auf schmalen technischen Trails steil hinab in das Bergdorf Pregasina, immer noch 500 m über dem Lago. Die alte aufgegebene Tonale-Straße, angelegt im senkrechten Fels mit zahlreichen Tunnels und Galerien, führt uns nach Riva del Garda, wo wir nach über 80 km und 2400 hm preiswerte Übernachtung einschließlich Abendmenü im Hotel Bristol finden.
8. Tag
Gestärkt durch ein sehr reichhaltiges Frühstück einschließlich frischem Espresso nutzen wir unseren letzten Tourtag für einen ausgiebigen Stadtbummel in Riva und das obligatorische Bad im Gardasee. Um 12.40 fahren wir mit dem Bus nach Rovereto, von wo aus uns ein Eurocity nach München bringt. Da wir unsere Bikes in Plastiksäcke verpackt haben, ist auch die Mitnahme in ICEs kein Problem, so dass wir glücklich kurz nach halb 12 wieder in Erfurt ankommen.
Fazit
Die Transalp-Tour führte über sieben anspruchsvolle Etappen mit insgesamt 428 km und 15.600 hm bei knapp 39 Std. reiner Fahrzeit. Das Wetter war insgesamt besser, als der Wetterbericht erwarten ließ. Trotzdem musste wetter- und pannenbedingt die Strecke zweimal modifiziert werden. Damit hat sich auch der Ansatz bewährt, keine Übernachtung zu buchen, da die Etappenorte vorher nur schwer festzulegen sind. Ebenfalls hat sich gezeigt, dass man mit einem Rucksack von 7 kg gut über die Alpen kommt. Jeden Abend wurden die Klamotten gewaschen und über Nacht getrocknet, so dass wir jeden Tag frisch starten konnten.
Das faszinierende an einem Alpencross ist, dass man innerhalb sehr kurzer Zeit, äußerst verschiedene Landschaftsbilder durchquert und mit nur im Erfurter Steigerwald trainierten Beinen ein Hochgebirge überwindet.
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