Paul on Tour – Klettern und Bouldern in Skandinavien – Teil 2

Ein Bericht über eine zweieinhalb monatige Reise in den Weiten der norwegischen und schwedischen Natur.

Von Paul Steinig

Fels, Meer, Strand und Sonnenschein – was kann da noch schöner sein?

Doch schließlich kehrten wir nach drei wunderschönen Wochen den Lofoten und damit dem hohen Norden den Rücken und bewegten uns wieder in Richtung der „südlicheren“ Gefilde.

Zwischenstopp machten wir auf dem Weg nach „unten“ am „Malstrom“ – dem größten Gezeitenstrom der Erde. Es ist schon als eine Besonderheit zu bezeichnen, tausenden Kubikmetern Wasser dabei zuzugucken, wie sie durch eine gerade mal 100 Meter breite Schlucht zwischen Meer und Bodden hin und her strömen. Immer wenn Ebbe bzw. Flut ist, bilden sich dann starke Strömungen und reißende Strudel. Dieses Spektakel ist nicht nur spannend anzuschauen, sondern bietet auch eine grandiose Möglichkeit Seelachse zu angeln! Zusammen mit einem sehr netten und weltgereisten älterem Thüringer Ehepaar konnten wir so innerhalb einer Stunde unzählige der delikaten Fische aus dem Wasser ziehen und uns einen gemeinsamen Festschmaus zubereiten 🙂

Als nächstes Stand ein Besuch, der unter den Skandinaviern als Geheimtipp gehandelten Bouldertopspots, „Harbak und Vingsand“ an.

Diese naturbelassenen Gebiete bieten massenhaft Fels und Blöcke direkt am Meer, ein wenig nördlich von Trondheim. Es handelt sich bei beiden Gebieten um Sackgassendörfer, die in ihrer Einsamkeit kaum zu übertreffen sind. Um z.B. nach „Vingsand“ zu gelangen, sind schon mal 40km unbefestigte Straße nötig, was den Willen der Anwärter, an diesen abgelegenen Ort zu kommen, auf die Probe stellt. Dort angekommen, fühlt man sich wie in einer anderen Welt, um 100 Jahre zurück versetzt. Hierher kommt der Krankenwagen per Boot. Es gibt nix außer Fischer. Und Boulderer. Und von letzteren waren wir die einzigen.

Von der Natur her ist „Vingsand“ wunderschön und wir sind den hilfsbereiten Norwegern dankbar für ihre beschriftete Karte, welche uns die Möglichkeit gab, einige der Blöcke auszuchecken. Allerdings wäre ein richtiger Führer noch deutlich hilfreicher gewesen, da sich in diesem entlegenen Winkel nicht einmal mehr die zuverlässige 27Crags App auf dem Handy zurechtfinden wollte. Leider streikte das skandinavische Wetter und zwang uns im Laufe von mehr als einer Woche Dauerregen immer weiter Richtung Süden. Im Nachhinein kann ich die Angst der Einheimischen, eines möglichen übermäßigen Andrangs, bei Herausgabe eines Kletterführers für „Vingsand und Harbak“ nicht nachvollziehen und hätten diesen eher wünschenswert gefunden. Trotz dessen ist die Qualität der dort vorhandenen Boulder klar als außergewöhnlich zu bezeichnen.

Auf dem Weg nach „unten“ legten wir einen Zwischenstopp an der beeindruckenden 50 Meter Wand von „Jarberget“ bei „Lillehammer“ ein. Diese können wir als echte Sehenswürdigkeit mit tollen Linien und guten Routen empfehlen.

Ein weiterer Anlaufpunkt auf der Flucht vor dem Regen wurde das Gebiet „Hauktjern“ direkt im gleichnamigen Stadtpark von Oslo. Hier kann man viele Locals direkt nach der Arbeit mit dem E-Bike zum Fels radeln sehen. Diese Wand zeichnete sich durch eine herausragende Qualität des Granits und der Linien aus.

Am nachfolgenden Ruhetag besichtigten wir die Hauptstadt „Oslo“. Das pulsierende Herz Norwegens, in Bezug auf Zivilisationen, ist definitiv ihre Hauptstadt. „Oslo“ bietet dem Touristen einige tolle Ecken, wie z.B. allen voran das architektonisch moderne und beeindruckende Operngebäude. Weiterhin sind aber auch der Palast mit den dazugehörigen Wachwechslen und auch die anderen historischen Gebäude der Innenstadt zu empfehlen.

Nachdem uns der Regen aus dem Norden vertrieben hatte, hielt es uns nicht mehr allzu lange im Land des Regens. Grund dafür war die verlockende Einladung einer sehr netten schwedischen Kletterin, die wir am Fels getroffen hatten, sie zuhause zu besuchen. Und ich kann euch sagen, es war ein Traum! Unsere Gastgeberin Ingrid Ellmin verwöhnte uns Outdoorler bis zum Umfallen. Kaum bei Ihr angekommen, durften wir das typische Gericht Lachs mit Wildreis, Gemüse und Zitronensauce à la „Frisch gezaubert“ probieren. Auch das Gefühl, nach dem Duschen mal nicht zurück ins Kalte zu müssen, genoss vor allem Pia. Um die ganze Freundlichkeit abzurunden konnten wir unsere Wäsche waschen und bereicherten unsere Allgemeinbildung durch einen Ortsrundgang von Strömstadt – Ingrids Heimat. Neben diesem Verwöhnprogramm war es unglaublich spannend sich mit unserer Reise- und Lebenserfahrenen Gastgeberin zu unterhalten, etwas über die Umgebung und die Skandinavische Lebensweise herauszufinden und Tipps für Kletterrouten und andere Aktivitäten in der Umgebung zu erhalten.

Auf Ingrid Empfehlung hin besuchten wir die Insel „Saltö“ ganz in der Nähe von Strömstadt. Der wahre Naturschatz „Saltö“ befindet sich im schwedischen Nationalpark „Kostermeer“ und bietet dem Besucher die Möglichkeit dem Alltag und jeglichen weltlichen Sorgen zu entfliehen. Schon das kleine, eineinhalbspurige Sträßchen, welches den Zugang darstellt, versetzt einen in eine völlig andere Welt und man lässt alles andere hinter sich und lebt dort, wo man gerade ist. Auf der Insel selber befinden sich nur vereinzelte Bauernhäuser und Fischerhüttchen am Meer. Man kann durch wohl duftenden Kiefernwald auf gekennzeichneten Wanderwegen spazieren gehen oder die Insel über die Küstenfelsen einmal umrunden. Dabei kann man die abwechslungsreiche Landschaft mit tollen Küstenabschnitten oder knochigen Kieferformationen genießen.

Nach der schönen Erfahrung in der Natur des schwedischen Nationalparks, ging es für uns in das Riss- und Tradkletterparadies „Bohuslän“, um dort unsere gemeinsamen Freunde von „Geoquest“ – Chris Hupe und Gerald Krug zu treffen.

Den ersten Tag verbrachten wir gemeinsam in einem der wenigen Sportklettergebieten von „Bohuslän“- der „Granit Grottan“ – dem Pendant zum Thüringer Hülloch, bloß eben aus 30 Meter überhängendem skandinavischem Granit bestehend.

Wie jede Höhle, führte auch die „Granit Grottan“ ein Bedingunstechnisches Eigenleben und es zogen sich einige nasse Spuren durch den beeindruckenden Fels. Zum Glück ließen diese eine reizvolle Linie, erstbegangen durch den norwegischen Topkletterer Magnus Mitbø, verschont. So gelang es mir an

diesem ersten wunderschönen Klettertag seit einiger Zeit die Tour „Ergo Holds 8b“ im zweiten Versuch nach dem Auschecken abzuhaken!

Voll motiviert ging es am nächsten Tag auf die schwedische Westküsteninsel „Fjällbacka“. Ein tolles Felsplateau, direkt am Meer, bewachsen mit wohl riechendem, blühendem Erika und Kiefern. Auf „Fjällbacka“ ist eigentlich alles flach, aber passt der Wanderer mit seinem Crashpad nicht ordentlich auf, so fällt er schnell die einzige Boulderwand der Insel herunter. So unscheinbar sie von oben betrachtet ist, qualitativ umso überzeugender und von unten betrachtet durchaus einladend für ein paar Züge ist die 45 Grad überhängende Granitwand. Mit plattigen Ausstigen versehen, befinden sich hier gegen aller Wahrscheinlichkeit Boulder von 4c bis 8a auf zehn Meter Breite und fünf Metern in die Höhe verteilt.

Nach spaßigen, aber auch gewöhnungsbedürftig hohen und exponierten Warmups, ging es an die härteren Boulder des Gebiets.

Ich machte mich daran, die reizvoll ausschauende Linie „Hummern Igen FB 7c“ visuell unter die Lupe zu nehmen und stand wenige Augenblicke später mit meinem ersten geflashten 7c auf der Liste, am oberen Ende der Wand.

Nach einer kurzen Pause machte ich mich ans physische Auschecken des Boulders „Sjöpingen 8a“. Dieser setzte sich aus einer harten Leistencrux direkt zu Beginn, gefolgt von einem weiten Zug aus einem Untergriff und einem wackligen Ausstieg zusammen. Die Session begann zwar vielversprechend, da bis auf den ersten Zug schnell alle anderen funktionierten. Als der fehlende Move allerdings auch nach einer ¼ Stunde noch nicht klappen wollte, begann ich schon aufzugeben.

Da kam mir zum Glück meine aufmerksame Freundin zu Hilfe. Manchmal sind es die kleinen Dinge in der Beta, welche die großen Unterschiede ausmachen. Durch Pias Rat es am Anfang einfach mal mit dem anderen Fuß auf dem Tritt zu probieren bekam ich meinen Kadaver vom Boden, doch es blieb nicht viel Zeit für Überraschung, weiter machen war angesagt.

Schnell bewegte ich mich weiter, traf den Zielgriff des weiten Zugs relativ exakt und konnte mich durch die wenigen verbleibenden Bizepszüge und den Sloperausstieg fighten! Ich hatte meinen sechsten Boulder 8a aufwärts innerhalb einer halben Stunde geklettert.

Auch Pia hatte bis kurz vor Schluss einen erfolgreichen Tag, der eine geflashte 7a beinhaltete. Der Abschluss selber wurde jedoch nicht sonderlich krönend. Nachdem ich eine weiter 7a+ geflasht hatte, tat es mir Pia fast gleich und verletzte sich unerklärlicher Weise am letzten Zug am kleinen Finger.

Nach diesen zwei, für mich eigentlich recht erfolgreichen Tagen, war es natürlich ein doofes Ereignis, dass meine Freundin sich verletzten musste. Auch nach einem Ruhetag wollte das Fingerchen einfach nicht so wie das dazugehörige Klettererherz.

Zum Glück hatte Pia genug Bücher auf ihrem E-Book und so ermöglichte sie mir ein paar Tradrouten mit dem erfahrenen „Geoquestteam“ zu klettern. Zwei Tage voller schöner Risse und toller klassischen Linien folgten. Die Aufgabe Gear während des Kletterns zu platzieren um sich selber abzusichern, machte meinen täglichen Sport zu einer ganz anderen Herausforderung. Insgesamt kann ich aber sagen, dass ich diese Tradkletterabenteuer direkt an den Stränden von „Bohuslän“ und teilweise sogar über dem Wasser, in grandiosen Risssystemen als spannende und echt tolle Erfahrungen mitgenommen habe. Danke dafür an Chris und Gerald!

Durch Ingrid erhielten wir einen weiteren Kontakt zu einem der aktivsten Erstbegeher Norwegens. Gudmund mit Namen war ein einziges Erlebnis in Person. Ein total cooler Uniprofessor, der täglich an irgendwelchen Felsen in Schweden oder Norwegen abhing. Nach einem lustigen gemeinsamen Klettertag sammelten wir noch gemeinsam mit unseren Freunden Pilze in den Skandinavischen Wäldern und bereiteten uns ein feines Abendmahl aus den selbigen zu. Mitten in der Nacht jedoch wachte ich mit bösen Magenkrämpfen auf, die Nacht endete im nächstgelgenen Krankenhaus knapp nach der schwedischen Grenze zu Norwegen. Obwohl die Nacht für mich und Pia der Horror war, muss ich sagen, dass mich die Norweger mit ihrem Gesundheitssystem echt beeindruckten. Die Behandlung welche ich erfahren durfte, war grandios und um mich herum wuselten ständig aufmerksame und freundliche Schwestern, die alle Englisch oder sogar Deutsch mit mir sprachen. Man merkt eben einfach, dass der Job der Krankenschwester in Norwegen ein sehr attraktiver ist. Mein Einzelzimmer mit Flachbildschirm konnte ich leider trotzdem nicht genießen 😉

Da ich am Tag danach sowieso nicht fit zum Klettern war, gönnten wir uns einen weiteren Tag Oslo Stadtbesichtigung und begingen dieses Mal nicht den Fehler in der Stadt zu parken, sondern nutzen die vergleichsweise günstigen öffentlichen Verkehrsmittel um ins Zentrum zu gelangen.

Trotz dessen, das ich mich noch recht schwach fühlte, war auch ein zweiter Tag Oslo Erkundung eine schöne Sache.

Nach diesem weiteren Kulturtag ging es für uns frisch erholt an die Wand von „Missingmyr“, zurück kurz vor die schwedische Grenze. Die Wand wurde uns von Gudmund empfohlen, der auch prompt zu uns stieß und sich sehr aufmerksam nach meinem Befinden erkundigte. Die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Skandinavier beeindruckte mich immer wieder.

„Missingmyr“ ist eine perfekte 20 Meter Wand, ganz leicht überhängend und mit vielen kleinen Leistchen versehen. Nach langer Fingerpause wagte Pia sich hier wieder an ein paar erste Kletterversuche. Für mich war es ein toller und erfolgsgekrönter Tag, da ich mich in dieser Stilart genau in meinem Terrain bewegte. So liefen mir hier die Klassiker „Kunst fur alle 7c“ sowie „Siste nytt fra vestkanten 8a“ und „Allahs hevn over de vantro 7c“, letztere sogar im Onsight gut rein.

Nach diesen schönen letzten Norwegen Tagen ging es für uns endgültig zurück über Schweden Richtung Heimat. Dabei legten wir einen weiteren Zwischenstopp bei Ingrid ein, den wir auch dieses Mal mit einer feinen „Köttbular“ Mahlzeit genießen durften.

Unsere letzten zwei Tage vor der Überfahrt per Fähre von Malmö nach Travemünde verwendeten wir auf einen Kurzbesuch des schwedischen „Bouldermekka“ Pendant zum französischen „Fontainbleau“.

„Kjugekull“ mit Namen ist ein Bouldergebiet mitten in der schwedischen Pampa, nahe der Ostküste des südöstlichsten Zipfel Schwedens. Gerade einmal eine gute Stunde von Malmö entfernt liegen hier die schönsten Granitblöcke, auf mehrere Quadratkilometer durch den Wald verteilt, herum. Insgesamt befinden sich hier über 1100 Probleme von ganz leicht bis 8b FB, die auf ihre Bezwingung durch die Anwärter des Vertikalen Gewerbes warten. Mithilfe der App „27Crags“ kann man sich in „Kjugekull“ gut zurechtfinden und mit seinem Crashpad von Block zu Block ziehen und Boulder von plattig bis steil in den verschiedensten Schwierigkeiten bezwingen. Im Gegensatz zum oftmals vollen Kiefernwald von „Fontainbleau“ ist es in diesem entlegenen Eichenwald Schwedens recht ruhig.

Obwohl wir hart mit 100% Luftfeuchtigkeit zu kämpfen hatten und es einfach nicht die Bedingungen für harte Züge sein wollten, genossen wir unsere letzten Tag in den ruhigen, wilden und menschenleeren Weiten Skandinaviens.

Abschließend kann ich wirklich sagen, dass wir eine großartige Zeit, trotz des ganzen Regens, im Norden Europas verbracht haben. Skandinavien hat unglaublich viele Schätze zubieten. Besonders zu wertzuschätzen lernten wir die unglaubliche Ruhe, die Ursprünglichkeit der Natur und die Abgelegenheit von aller Zivilisation mit samt ihren Problemen und Menschenmassen.

Skandinavien ist wild und wie eine Insel, isoliert von allen negativen Begleitungserscheinungen unseres modernen Fortschritts. Man fühlt sich auch im Jahr 2017 noch wie im „Michelland“ zu Zeiten Astrid Lindgrins. Die Natur der Weiten Norwegens ist ursprünglich, stark und zum Glück bisher für den Menschen unbezwingbar geblieben. Wir hoffen dass dies auch weiterhin so bleibt und wir auch noch bei unserem nächsten Trip Richtung Norden diese Schätze Skandinaviens genießen können.

Ich hoffe ich konnte euch einen Eindruck unserer Reise durch Norwegen und Schweden geben und sowohl Ihr als auch wir können diese wunderbare Entspanntheit und Ruhe Skandinaviens in den Alltag bzw. auf unsere weitere Reise nach Frankreich und Spanien mitnehmen!

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